„Brain Drain“
Wie Medien- und Smartphone-Nutzung das Gehirn auslaugen
Laut einer DAK-Studie (2023) hat sich während der Corona-Zeit die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen verdoppelt. Mehr als sechs Prozent der Minderjährigen sind inzwischen abhängig von Computerspielen und sozialen Medien. 12 % der haben ein problematisches Spielverhalten.
Seit 2019 wird „Gaming Disorder“ offiziell als Krankheit von der WHO anerkannt. Die Folgen sind Schlafmangel, Depressionen und sozialer Rückzug, sowie Konflikte im Elternhaus, Schulangst und Konzentrationsprobleme. In Deutschland ist Spielsucht die vierthäufigste psychische Erkrankung bei Jugendlichen.
Mediensucht ist ein zwanghaftes Bedürfnis, digitale Medien zu nutzen – wie soziale Netzwerke, Videospiele oder Streaming-Plattformen. Betroffene, die auf digitales Entertainment verzichten müssen, klagen über Entzugserscheinungen wie schlechte Laune, innere Unruhe, Anspannung oder Leere- und Sinnlosigkeitsgefühle. Smartphones fungieren als ständiger Zugang zu diesen Inhalten.
In der modernen Welt sind Smartphones und Medien allgegenwärtig – ob in Wartesituationen, in der Mittagspause oder vor dem Einschlafen – der Griff zum Smartphone ist für viele eine Gewohnheit. Die ständige Verfügbarkeit und Nutzung bleibt nicht folgenlos für das Gehirn und Sozialverhalten. Digitale Interaktionen ersetzen zunehmend reale soziale Kontakte. Viele Nutzer sind abhängig von virtueller Anerkennung und verfügen über weniger soziale Kompetenzen, - vor allem Kinder und Jugendliche.
Biochemische Prozesse
Wird das Lustzentrum im Gehirn übermäßig stimuliert, - sei es durch Drogenmissbrauch oder intensiven Medienkonsum, entsteht ein „Suchtdruck“. Das Gehirn verlangt nach mehr und immer stärkeren Reizen, um biochemisch weiterhin Glücksgefühle und Euphorie erzeugen zu können. Bei der Sucht nach Pornografie tritt dieser Effekt besonders deutlich in Erscheinung.
Likes, Nachrichten oder neue Inhalte aktivieren ebenfalls das Belohnungssystem im Gehirn – das sofort mit der Ausschüttung von Dopamin reagiert, dem sogenannten „Glückshormon“. Wird dieses Hormon freigesetzt, entsteht ein Befriedigungsgefühl, das sich an die Nutzung der Medien koppelt. Neugier oder Angst, etwas zu verpassen, unterstützen und fördern die biochemische Suchtspirale.
Brain Drain
Laut der Meta-Studie des Forschungsteams an der Universität Augsburg (2023) beeinträchtigt die bloße physische Präsenz eines Smartphones die kognitive Leistungsfähigkeit negativ. Klaus Zierer von der Universität Augsburg: „Menschen, die viel Zeit mit ihrem Smartphone verbringen, sind von der Abwesenheit des Smartphones mittlerweile sogar mehr gestresst als von der Anwesenheit.“ Der Medienwissenschaftler Ralf Lankau ergänzt: „Die Behauptung, digitale Medien würden das Lernen verbessern, ist durch keine Studie belegt, sondern eine Behauptung der Industrie. Das Gegenteil ist der Fall.“
Die tägliche Nutzung von Smartphones und Tablets hat weitreichende Folgen für ein junges Gehirn: Die Aufmerksamkeitsspanne und die Gedächtnisleistung werden deutlich gesenkt. Informationen werden nicht mehr langfristig gespeichert, da sich das Gehirn an kurzlebige und bedeutungslose Reize gewöhnt hat. Die permanente Reizüberflutung, die den Raum für Langeweile nimmt – ein Zustand, der essentiell ist für die Entwicklung der Hirnareale für Kreativität und Fantasie, schadet vor allem Kinder. Sie verlieren den Bezug zu ihrer schöpferischen Natur und richten ihre Neugier auf den Konsum von digitalen Reizen.
Das Gehirn verlernt zu denken
ChatGPT- oder Google-Antworten machen eigenständige Denkprozesse überflüssig, - das Gehirn verlernt sie oder entwickelt sie gar nicht erst. Die Fähigkeit zur Selbst-Reflektion und zu logischen Schlussfolgerungen gehen ebenfalls verloren. Entsprechende Hirnareale im Frontalhirn schrumpfen oder werden nur rudimentär entwickelt.
Gegenstrategien
Die Balance zwischen Mediennutzung und mentaler Gesundheit zu finden, stellt heute für viele eine Herausforderung dar. Bildschirmmedien als Freizeitbeschäftigung ersetzen bei vielen Kindern entwicklungsförderliche Aktivitäten, wie kreative Perioden der Stille und des Sinnierens. Die altersunangemessene digitale Reizüberflutung bedeutet massiven Stress für die kindliche Psyche und kann die Gehirnentwicklung verzögern. Es ist heute unumgänglich, die Mediennutzung zu regulieren, z. B. durch Bildschirmzeit-Limits oder digitale Detox-Phasen. Zeitfenster für analoge Aktivitäten, wie Lesen, Sport, kreative Hobbys oder persönliche Gespräche mit Menschen in Präsenz sind zum Ausgleich wichtiger denn je - sie fördern kognitive Fähigkeiten und stärken die Fähigkeit zu sozialen Bindungen.
Fazit
Brain Drain durch Mediensucht und Smartphone-Nutzung ist ein reales und wachsendes Problem, Nur durch einen zeitlich begrenzten und reflektierten Umgang mit Smartphones und digitalem Entertainment können Kinder ihr kognitives Potenzial entwickeln – und Erwachsene ihre geistige Gesundheit und Leistungsfähigkeit langfristig erhalten.
Quellen:
DAK-Gesundheit. (2024). DAK-Studie Mediensucht 2024: Digitale Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen. https://www.dak.de/dak/unternehmen/reporte-forschung/dak-studie-mediensucht-2024_91442
Universität Augsburg. (2023). Brain-Drain-Effekt von Smartphones: Meta-Studie zeigt kognitive Risiken. https://www.uni-augsburg.de/de/campusleben/neuigkeiten/2023/09/19/brain-drain-effekt-von-smartphones/
Habermann, K. (2025). Auswirkungen digitaler Medien auf die Gehirnentwicklung von Jugendlichen. In: Medienpädagogik und Gesellschaft. Springer Verlag. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-70055-6_1
Deutsches Ärzteblatt. (2023). Medienabhängigkeit: Die Bildschirmsucht nimmt zu. https://www.aerzteblatt.de/archiv/medienabhaengigkeit-die-bildschirmsucht-nimmt-zu-4e55ba40-3ccf-42c9-96d1-142f46c06323
